|
Adolf Weiss(1860 - 1938) war ein bemerkenswerter Mann. Mit Leib und Seele war er ein echter
Westerwälder Bauer. Er trug den damals noch üblichen blau - leinenen Westerwälder
Bauernkittel mit Halstuch und Kappe. Sein Gesicht umrahmte im Alter ein weißer
Vollbart.
Adolf Weiß engagierte sich im Dorfleben, in
vielen Vereinen und interessierte sich für Politik. Für das Wiesbadener
Tagblatt schrieb er regelmäßig Beiträge. Auf Bauerntagen und anderen
Veranstaltungen hielt er Vorträge über Probleme seiner Heimat und seines
Standes. Trotz der vielen Arbeit - 20 Stück Vieh und 15 Hektar Land - hat er in
später stiller Stunde manches schönes Gedicht gereimt und viele Aufsätze über
heimatliche Bräuche und landschaftliche Besonderheiten geschrieben, die zumeist
im Wiesbadener Landboten erschienen.
Gerechtigkeit, Loyalität, Liebe zum
Berufsstand und zur Heimat galten bei ihm und seinen Freunden als
erstrebenswerte Eigenschaften. Er las sehr viel, besonders Schiller und Heine.
Die meisten Gedichte galten seiner Heimat. Er war ein sehr naturverbundener
Mensch; schon über einen Strauch auf dem Feld, in dem ein Vogel ein Nest gebaut
hatte, konnte er ein langes Gedicht schreiben. Die Psyche des dichtenden Bauern
war empfänglich für die feinsten Regungen der Seele.
1902 erschien bei der J. M. Beck'schen
Druckerei in Herborn sein Bändchen "Bauernlyrik" mit hochdeutschen
Gedichten, meist besinnlicher Art, heimatliche Töne anschlagend oder
philosophischen Themen zugewandt. Später hat er sich der damals sehr
beliebten Mundartdichtung zugewandt. 1912 erschienen im Selbstverlag zwei Hefte
"Vir kurz un lang!" mit Scherzgedichten in Nassauischer Mundart.
Schon zu Lebzeiten erreichte der Heimatdichter einen Bekanntheitsgrad, der
weit über die Kreisgrenze hinausging. Sein Portrait und seine Gedichte zierten
unzählige Postkarten. Auch Mademühlens Hauptstraße, in der er wohnte, trägt
noch heute seinen Namen. Seit 1909 war er Mitglied im Westerwald - Verein.
Unvergessen wurde er 1913 durch den Westerwälder Heimatgruß. Der Gruß, den er
schuf , verbindet von Mund zu Mund nicht nur die Menschen, sondern knüpft auch
das Band der Liebe zur Heimat fester. Der Ruf aller echten Wäller sollte
Erkennungsruf und Bekenntnis zu einer liebenswerten Landschaft sein.
Aus Dankbarkeit hat der Westerwald -Verein seinem Ehrenmitglied am
Himmelfahrtstag 1939 am Fuße des fichtenumstandenen
Knoten bei Rennerod ein
kleines Steindenkmal errichtet. Die Kopf - Reliefplatte trägt die Inschrift
"Dem Heimatdichter und Schöpfer des Westerwaldgrußes "Hui Wäller
- Allemol!" Adolf Weiß 1860 - 1938 Der Westerwald - Verein
1939"
Das Denkmal mit den zwei Steinbänken liegt heute
an verschiedenen
Rundwanderwegen, die mit GPS-Daten für
Smartphones/Navigationsgeräte hinterlegt sind.
Der Platz um das Denkmal wurde vom
Heimatverein Arborn 2016 neu gestaltet.
|
 |
Zum Schluss zwei Gedichte des
Heimatdichters:
Der freie Wille
E Liehrer mol behannelt hot,
däss jedern'n freie Wille hot.
"Den freien Willen", stolz he säät,
"der Mensch vir allem annern hätt."
Der Lihrer woll nou mol probiern,
ob se de Sache aach kapiern,
un fräht dr drim die klaane Kätt,
ob sie en freie Wille hätt.
"Na", kreischt die ower schwinn un laut:
"Vom freie Wille spiern aich naut!"
Der Lihrer sich verwunnert hot,
do ower maent die klanne Krott:
"Wenn aich mein freie Wille hätt,
do läch aich noch dehaam em Bett!"
Gruß vom Westerwald
Meine Heimat Westerwald,
Warst mein größtes Kleinod immer,
Wenn ich heut' auch schwach und alt,
Noch strahlt mir sein gold'ner Schimmer,
Der soll auch erblassen nicht,
Bis mein müdes Auge bricht.

|
Das erste Gedicht ist in Wäller (Mademühlener)
Platt geschrieben, also in Westerwälder Mundart, die sich von Dorf zu Dorf
geringfügig unterscheidet.
Wäller Platt beruht überwiegend auf der moselfränkischen Mundart, die zum
Westmitteldeutschen Sprachraum gehört.
Im Nordwesten des Westerwaldes hin zur Sieg wechselt das moselfränkische
"Dorf" zum ripuarischen "Dorp". Im Osten, etwa auf der Linie Limburg
- Dillenburg, geht das Moselfränkische in den Zentralhessischen Sprachraum über,
das typische Wäller "dat" wird zum "das" und
"des".
|